Sagen und Geschichten aus dem Teucherner Land

Der Schäfer von Deuben

 

Eines Tages — es ist schon lange her — kam der Schäfer von Deuben mit seiner Herde in die Nähe des Burghügels. Da tat sich an dessen Fuße ein Gang auf, und heraus trat eine Frau mit einer Kuh. Die Frau fragte den Schäfer, ob er wohl ihre Kuh mit hüten könne, er solle als Lohn jeden Tag einen Groschen und ein Brot erhalten, dürfe aber niemandem etwas sagen. Der Schäfer war sofort bereit. Jeden Morgen holte er die Kuh am Burghügel ab, und jeden Abend brachte er sie dahin zurück, und jedesmal nahm er sein Brot und seinen Groschen in Empfang. Hatte der Schäfer zuvor in ärmlichen Verhältnissen gelebt, so änderte sich seine Lage nun zusehends, und er kam schnell zu Wohlstand. Darüber wunderten sich die Leute im Dorfe und meinten, das könne nicht mit rechten Dingen zugehen. Sie wollten gern erfahren, was ihm solches Glück bringe, und fragten ihn immer wieder. Aber der Schäfer wusste, dass er zu schweigen hatte, und verriet sein Geheimnis nicht. Eines Tages jedoch hatte er im; Wirtshaus viel getrunken, und er war in recht ausgelassener Stimmung; da erzählte er denn von der geheimnisvollen Frau und ihrer Kuh, die er täglich hütete. Als er am anderen Tage, wie gewöhnlich, an den Burghügel kam, war keine Kuh zu sehen, auch am nächsten Tage nicht, desgleichen am dritten. Die Kuh war und blieb verschwunden. Da nahm er einen Spaten und grub dort nach, wo sie herauszutreten pflegte. Aber so tief er auch eindrang in den Hügel, er fand keinen Gang. An dem Tage starb ihm das beste Tier seiner Herde, und das geschah, so oft er sich mit seinem Spaten an dem Hügel zu schaffen machte. Da gab er das Graben auf. Mit seinem Wohlstand war es zu Ende, seitdem er sein Geheimnis ausgeplaudert hatte. Er wurde wieder arm, wie er es einst gewesen war.

 

Der Drachenpfennig

 

Bei einem reichen Bauern in Döbris lag auf dem Küchenregal immer ein Pfennig. Eines Sonntags nahm die Magd ihn vor dem Kirchgang an sich, um ihn in den Klingelbeutel zu stecken. Das hatte die Bauersfrau gerade noch im letzten Augenblick bemerkt. Eilends rannte sie der Magd nach und erreichte sie noch vor der Kirchtür. Sie nahm der Magd den Pfennig ab. Das war nämlich kein Pfennig, der zum Ausgeben bestimmt war. Die Bauersfrau legte täglich einen solchen hin als Opfer für den Drachen, der in ihrem Dienste stand. Hätte die Magd den Pfennig in den Klingelbeutel gesteckt, wer weiß, was dann auf dem Gehöft für Unheil entstanden wäre!

 

Das vom Scharfrichter entdeckte Drachenweib

 

Miene aus Mölsen diente als junges Mädchen bei einem Bauern in Döbris. Dort kam es öfters vor, dass die Sahne von den Rahmschüsseln abgeschöpft war und morgens die Kühe ausgemolken waren. Sie meinten, das könne nur ein Drache getan haben. Da musste etwas geschehen. Der Bauer schickte also seinen Knecht nach Zeitz zum Scharfrichter und Wasenmeister Wahl. Der kam auch schnell mit zwei Gehilfen nach Döbris. Er besah sich den Hof genau und murmelte dann einige Sprüche. Die Bauern mussten nun auf sein Geheiß alle Ställe ausmisten und den Dung auf einen großen Haufen werfen. Inzwischen holten sich Meister Wahl und seine Gehilfen oben vom Teiche kräftige gegabelte Ruten, die man Zwisseln nannte. Bald darauf begannen die drei, damit den Mist zu peitschen, immer rings herum wie die Drescher. Sie gerieten bei der Arbeit tüchtig in Schweiß, hatten aber Erfolg; denn sie hörten ein Wimmern und Winseln und Heulen und wussten, woher das kam. Auch die Bauersleute, die in der Haustür standen und dem Treiben zuschauten, ahnten es. Das Peitschen ging so lange, bis das Gewimmer verstummte. Dann stärkten sich Meister Wahl und seine Gehilfen durch ein kräftiges Mahl. Während sie am Tische saßen, kam der Junge einer Frau, die bei dem Bauern half, und bestellte, seine Mutter könne nicht zur Arbeit kommen; sie sei die Treppe hinuntergefallen und habe sich ein Bein gebrochen. Nun wussten alle, wer der Drache war und wer so viel auf dem Hofe gestohlen hatte. Fortan hörte das Stehlen auf.

 

Döbschen

 

Gar nicht weit davon, wo Köttichau und Döbris gestanden haben, befand sich in alten Zeiten das Dorf Döbschen. Schon lange, bevor in dieser Gegend die Braunkohle ausgebaggert wurde, sah man nichts mehr davon. Aber es soll dort um Mitternacht nicht geheuer gewesen sein. Da ging einmal in einer Sommernacht ein Handwerksbursche vorbei. Als es vom Turme zwölf geschlagen hatte, kam ein Leichenwagen angefahren. Zwei kohlschwarze Pferde waren davor gespannt. Der Handwerksbursche hörte aber keinen Hufschlag und kein Rattern oder Rasseln des Wagens. Vom Kutscherbock grinste ihn ein Totenschädel an, und im offenen Sarge sah er ein Gerippe liegen. Doch der Handwerksbursche erschrak nicht. Furchtlos rief er dem gespenstischen Kutscher zu, als er ihn überholte: »Heda, halt still, und nimm mich mit nach Köttichau!« Kaum hatte er das gesagt, da war der Spuk verschwunden. Wenn aber einer mit schlechtem Gewissen an der Stätte des ehemaligen Dorfes Döbschen vorbeigeht, dann hockt sich ihm ein Gespenst auf und drückt ihn wie eine schwere Last, und zwar so lange, bis er die alte Dorfgemarkung verlassen hat.

 

Der pfiffige Knappe

 

Die Kirche zu Grunau steht frei auf einem niedrigen Hügel. Ehe sie gebaut wurde, befand sich dort eine kleine Burg. Spuren von Wällen und Gräben kann man noch heute entdecken. Die Burg diente in Kriegszeiten den Bauern der Umgegend als Zufluchtsort. Einmal, es war im Jahre 916, gewährte sie auch dem Herzog Heinrich, dem späteren König, Schutz, als er von König Konrad bedrängt wurde. Der Herzog hatte nur eine kleine Schar von Kriegsleuten bei sich. König Konrad aber belagerte die Burg mit einem ansehnlichen Heer. Heinrich hätte sich nicht lange verteidigen können. Da verfiel ein Knappe des Königs auf eine List. Er begab sich vor die belagerte Burg und wusste, dass man ihn gefangen nehmen würde. Das geschah auch alsbald. Man fragte ihn, was er in der Nähe der Burg zu tun habe. Aber er weigerte sich zu reden. Da drohte man ihm mit harter Strafe. Schließlich erzählte er, er habe ein Schreiben über die Mauer geworfen. Was denn darin stehe, wollte man nun wissen. Wieder sträubte sich der Knappe, Auskunft zu erteilen. »Du wirst gehenkt, wenn du es nicht sagst«, suchte man den Jungen einzuschüchtern. Da ließ sich der Knappe erst Freiheit und Leben versprechen und erzählte dann, ein großes Heer stehe an der Saale und werde schon morgen den Herzog Heinrich befreien. König Konrad wollte es auf einen Entscheidungskampf nicht ankommen lassen; er gab die Belagerung auf und zog ab. Der Herzog Heinrich aber war befreit.

 

Die Saumuhle bei Hohenmölsen

 

Nach der Zerstörung der Stadt Hohenmölsen im Jahre 1080 waren die Einwohner obdachlos, und das Vieh lief in der Gegend umher, östlich der Stadt war ein Sumpf. Dort wühlte eine große Sau und stieß dabei auf eine versunkene Kirchenglocke. Die wurde durch das Wühlen zu einem großen Teile frei. Die Mölsener freuten sich über den Fund und wollten die Glocke aus dem Sumpfe ziehen. Sie vermochten es aber mit allen ihren Pferden nicht. Es half auch nichts, als sie noch Pferde von Jaucha, Zembschen und Zetzsch vorspannten. Endlich kamen die Grunauer noch mit zwanzig Pferden an. Kaum hatten sie zwei davon vor die Glocke gespannt, so ließ die Sau, die nicht von der Glocke gewichen war, ein lautes Grunzen hören. Da scheuten die beiden Pferde, zogen kräftig an, und fort ging es mit der Glocke über Wiesen und Felder bis zur Grunauer Kirche. Dort erst standen sie still. Die Glocke wurde auf den Kirchturm gehängt. Als sie zum erstenmal geläutet wurde, wollte man die Worte: »Sau — wühl, Sau — wühl!« gehört haben. Die Sau hat man nicht wieder gesehen. Die Hohenmölsener nannten den Sumpf, wo die Glocke gelegen hatte, die Saumuhle.

 

Der Frauenrasen

 

Die Gegend von Hohenmölsen wurde einst lange Zeit von einer Räuberbande unsicher gemacht. Die hauste im Walde vor der Stadt, dort etwa, wo heute die Zeitzer Straße ist. Man gab sich viel Mühe, die Räuber zu fangen; doch es gelang nicht. Schließlich schlug eine Frau von Mosdorf einen Plan vor. An einer Wiese im Walde verbargen sich die Stadtknechte im Gebüsch. Die Frau von Mosdorf tummelte sich mit einigen beherzten Frauen auf dem Rasen. Sie lachten, scherzten und sangen, als hätten sie nie gehört, welch schlimme Gesellen sich im Walde aufhielten. Wie man erhofft hatte, lockte das frohe Treiben die Räuber an. Sie wollten die Frauen fangen und berauben; doch als sie auf die Wiese traten, kamen die Stadtknechte hervor und stachen die Räuber nieder. Wald und Wiese heißen seit dieser Zeit Frauenholz und Frauenrasen.

 

Der Kuhberg bei Hohenmölsen

 

Wenn in Herbstnächten aus dem Rippachtal der Nebel in dichten Schwaden emporsteigt, erschien eine gespenstisch große Kuh auf dem Berge. Sie hatte feurige Augen, und wer sie sah, lief ängstlich davon. An Bäumen und Kräutern richtete sie viel Schaden an. Verschwand der Nebel, war auch die Kuh nicht mehr zu sehen. Der Rat der Stadt Hohenmölsen hatte sich schon lange Sorge um das böse Tier gemacht. Eines Tages befahl er dem Häscher, — das war der Gerichtsdiener und Schinder — es unschädlich zu machen. Der Häscher meinte großsprecherisch: »Wenn's weiter nichts ist, in drei Nächten wird das Untier verschwunden sein. Aber nicht umsonst will ich es tun; nehmt mich zum Lohn als Bürger auf, und gebt mir die Stelle des Baders!« Doch dazu kam es nicht. Nach drei Tagen fand man den Häscher tot dort liegen, wo man die Gespensterkuh gesehen hatte. Man konnte keine Wunde an ihm entdecken. Dort, wo die Leiche lag, verscharrte man sie. Die Gespensterkuh hat seitdem niemand mehr gesehen. Der Berg heißt heute noch der Kuhberg.

 

Die schöne Melusine

 

Zwischen der Stadt Hohenmölsen und der Rippach befindet sich eine Parkanlage, Melusine genannt. Lange Zeit stand dort eine zerfallene Burg. Der letzte Ritter dieser Burg hatte eine schöne Tochter mit Namen Melusine. Ein Ritter aus der Nachbarschaft liebte sie und begehrte sie zur Frau. Sie liebte ihn auch und wollte niemand anders zum Manne haben. Doch der Vater wollte von diesem Freier nichts wissen. Mit Schimpf und Schande schickte er ihn davon. Er kam jedoch wieder, und zwar mit vielen Kriegsleuten. Er belagerte die Burg und wollte sich seine Geliebte mit Gewalt holen. In diesem Kampfe wurde die Burg völlig zerstört, ihre Bewohner wurden getötet, auch die schöne Melusine. Sie fand jedoch keine Ruhe nach ihrem Tode. Oft hörte man sie schrecklich heulen. Wer keine Angst hatte und sich dort im Gebüsch versteckte, konnte sie sehen, wie sie hinab zum Melusinenbrunnen schritt, um dort zu baden. Am Tage hörte man in dem alten Gemäuer manchmal Gänsegeschnatter und Pferdegetrab. Schaute man nach, so sah man keine Gänse und keine Pferde.

 

Der Drache von Keutschen

 

Jeden Abend kam der Drache, um der alten Mutter Mine bei der Arbeit zu helfen. Sie konnte sich ruhig zum Schlafen niederlegen; wenn sie früh aufstand, war gebacken, gekocht, gebuttert und waren Matz und Käse fertig. Alle diese Arbeiten verrichtete der Drache. Einmal hatte eine missgünstige Nachbarin die Magd veranlasst, den Sack, mit dem die Molken aus dem Malz gedrückt werden, heimlich mit Stecknadeln zu spikken. Der Drache sollte sich daran verletzen und böse werden. Das geschah auch. In seiner Wut zerkratzte der Drache der Bäuerin das Gesicht. Wenn jemand sie fragte, wer sie zerschunden habe, gab sie keine Antwort.

 

Das gelbe Huhn von Keutschen

 

Vor langer Zeit ging einmal eine Bauersfrau von Keutschen in der Abenddämmerung vom Acker heim. Da bemerkte sie in einer Furche ein schönes gelbes Huhn. Das blieb still sitzen, als die Bäuerin ihm näher kam. «Ei«, dachte die Frau, »es ist wohl krank. Vielleicht erholt es sich, wenn ich es mit nach Hause nehme.« Sie setzte es in ihren Korb und deckte ihr Kopftuch darüber. Daheim bereitete sie ihm am warmen Herde ein ruhiges Plätzchen. Am nächsten Morgen sah die Bäuerin gleich nach ihrem Huhn. Wie erstaunte sie, als sie bemerkte, dass es anstatt eines Eies glänzende Goldstücke gelegt hatte! Die Bauersfrau rief ihren Mann. Auch der wunderte sich, freute sich aber auch, als er festgestellt hatte, dass es pures Gold war. Den ganzen Tag über blieb das Wunderhuhn auf seinem Neste sitzen. Von den hingelegten Körnern fraß es nur wenig. Am nächsten Morgen hatte es wieder ein Häuflein Goldstücke gelegt. So ging es mehrere Tage. Da wurde es dem Bauer unheimlich. »Das ist Teufelsgeld«, meinte er, »es bringt keinen Segen.« Er verlangte, dass seine Frau das unheimliche Tier aus dem Hause schaffe. Die wollte erst nicht, konnte sie doch durch dieses Huhn ohne Mühe sehr reich werden. Doch der Bauer bestand darauf, es fortzuschaffen. Die Bäuerin setzte es in der Furche an dieselbe Stelle, wo sie es gefunden hatte. Neugierig ging sie am ändern Morgen dorthin, und was sah sie? Das Huhn hatte wieder Goldstücke gelegt. Sie fütterte es noch einmal mit Körnern. Doch am nächsten Morgen fand sie es nicht mehr. Man hat es nicht wieder gesehen.

 

Der Pfarrer von Meisitz

 

Meisitz war ein Dorf, das zwischen Aupitz und Rössuln lag. Im Dreißigjährigen Krieg kamen Soldaten auch in dieses kleine Dorf. Besonders hatten sie es auf die Geistlichen abgesehen. Aus Angst suchte sich jeder in Sicherheit zu bringen. Der Geistliche von Meisitz versteckte sich in einem Brunnen. Qualvolle Stunden erlebte er da. Bald hörte er das Fluchen und Schreien der Soldaten, aber auch das Jammern und Weinen der Kinder in seinem Versteck, dazu Schüsse, Krachen von Balken, Einstürzen von Mauern, Schreien und Brüllen von Tieren. Am Abend leuchtete der Himmel rot in sein Versteck hinein. Als der Pfarrer am nächsten Morgen aus dem Brunnen hinausstieg, fand er sein Dorf völlig zerstört, überall lagen Tote umher, Männer, Frauen und Kinder. Sein Pfarrhaus lag in Schutt und Asche. Da irrte der Ärmste viele Tage verstört durch die Felder. Schließlich fand man den noch jungen Mann mit grauen Haaren und irrem Sinn in einem Gehölz.

 

Das Mägdegrab

 

Wenig südlich von Langendorf liegt ein niedriger Hügel, auf dem einige Bäume stehen. Von der Autobahn wie auch von der Eisenbahn aus sieht man ihn liegen. Von diesem kleinen Hügel wird folgende Geschichte erzählt: Einst saß hier an einem Sommerabend ein Schäfer und achtete nicht auf das, was um ihn her vor sich ging. So bemerkte er auch nicht, wie sich Mägde von einem heimfahrenden Erntewagen zu ihm schlichen. Die waren böse auf den Schäfer, weil er beim letzten Tanz ihre Untugend mit schelmischen Worten gegeißelt hatte. Sie überfielen den nichtsahnenden Schäfer rücklings, warfen ihn nieder und kitzelten ihn so lange, bis er tot liegenblieb. Man ergriff die bösen Mägde bald. An der Stelle, wo sie den Schäfer totgekitzelt hatten, grub man ein Grab und stieß die Mörderinnen lebendig hinein. Ehe man es zuschaufelte, warf man noch Haufen von dornigem Reisig hinein. So bekamen die Mägde ihre Strafe für die schändliche Tat. Der Hügel wird seitdem das Mägdegrab genannt. So sehr man sich am Tage über diese schöne Stelle in der Landschaft freut, bei Nacht geht man nicht gern vorbei, weil es dort nicht geheuer sein soll.

 

Der Drache von Obernessa

 

In Obernessa wohnte vor Jahren eine alte Frau, die auch den Drachen hatte. In der Erntezeit lieferte er ihr sogar das Mittagessen, so dass sie wenig Arbeit im Hause hatte und bis zur Mittagspause mit auf dem Felde bleiben konnte. Kam sie dann heim, stellte sie die Schüssel in die Feueresse und rief: »Hänschen, gäk!« Gleich war die Schüssel voll feinster Kartoffelklöße. Knechte und Mägde wunderten sich darüber. Sonntags mussten sie in die Kirche gehen. Das verlangte die Bäuerin. Kamen sie dann heim, war der Kuchen fertig. Aber er sah grau aus. Eines Tages sagte der Knecht zu den Mägden: „Nächsten Sonntag nehmt ihr mein Gesangbuch mit und tut so, als ginge ich mit in die Kirche! Ich will mich indessen auf den Backofen legen und lauschen, wie die Frau den Kuchen bäckt.“ So geschah es. Kaum waren die Mägde fort, da verschloss die Bauersfrau die Türen und legte das Kuchenbrett auf den Tisch. Dann sagte sie: „Hänschen, gäk lauter eiergelben Kuchendeek!“ Das Untier aber antwortete: „Nee, Frau, es guckt!“ Damit hatte der Drache den Knecht auf dem Backofen gemeint. Die Bauersfrau antwortete: „Nee, komm nur, es guckt niemand!“ Nun brachte der Drache aus seinem Rachen den wohlschmeckenden Kuchen hervor. Das erzählte der Knecht den Mägden heimlich. Keiner aß von dem Drachenkuchen, und alle drei verließen sie den Dienst.

 

Die versunkene Brautkutsche

 

Auf den Wiesen bei Obernessa befindet sich die Quelle der Nessa. Früher floss sie viel stärker als jetzt. Die Wiesen waren dort sehr sumpfig, und nur in trockenen Jahren konnte man bis an die Quelle herankommen. Manche alten Leute erzählten, dass in der Quelle der Wassergeist, der Nix, wohne. Vor dem müssten sich junge Mädchen in acht nehmen. Die suche er nämlich in sein Wasserschloss herabzuziehen; dann könne er in Menschengestalt unter die Menschen gehen. Aber die jungen Leute hielten das für ein Märchen und glaubten es nicht. Einmal hatte eine schöne Jungfrau Hochzeit. In einer geschmückten Brautkutsche fuhr man zur Kirche. Wie es Sitte war, benutzte man zur Heimfahrt einen andern Weg. Der führte an den Nessawiesen entlang. Ein Gewitter war aufgestiegen. Ein greller Blitz zuckte, und gleich darauf donnerte es mächtig. Die erschrockenen Pferde bäumten sich auf und rasten mit dem entsetzten Brautpaar über die Wiesen stracks der Quelle zu. Dort versank die Kutsche samt Pferden, Kutscher und Brautleuten im Sumpf. Sonntagskinder behaupteten später, sie hätten die Braut weinend auf dem Grunde der Quelle gesehen.

 

Luther in Stößen

 

Nach Stößen, das in alten Zeiten aus der Markt- und der Berggemeinde bestand, kam im Januar 1542 auf der Reise von Naumburg nach Zeitz Martin Luther. Bürgermeister, Ratsherren, Bürger, nicht zu vergessen der Pfarrer und der Schulmeister, hatten sich auf dem Marktplatze versammelt, um den berühmten Mann zu begrüßen. Nachdem der Reisewagen des Reformators gehalten hatte, ertönte der Lutherchoral „Nun freut euch, liebe Christen g'mein“, gesungen von den Stößener Schulkindern. Martin Luther stieg aus, begrüßte die versammelte Gemeinde und ließ sich von dem Pfarrer einiges über die kirchlichen Verhältnisse im Orte berichten. Manche Sorge hat der Pfarrer da wohl dem Reformator vorgetragen, war doch eben wieder ein Streit zwischen der Berg- und der Marktgemeinde wegen der Hirten ausgebrochen. Der Pfarrer meinte, die Stadt solle auch für jede der beiden Gemeinden einen Geistlichen haben. Das leuchtete Luther ein, und er sprach zu den Versammelten: „Ich sehe, dass eure Stadt in Ordnung ist. Nur um eins bitte ich euch: Ihr haltet zwei Hirten für euer Vieh, haltet in Zukunft auch zwei Hirten für eure Seelen! Ich bin bereit, euch einen jungen Kaplan zu schicken.“ Doch Luthers wohlgemeinter Vorschlag fand so gut wie keine Gegenliebe. Der lange Schneider Wiebel rief: „Das können wir nicht bezahlen“, und die allermeisten stimmten ihm zu. Alle Höflichkeit gegenüber dem berühmten Manne war vergessen; man sprach erregt durcheinander. Schließlich meinte der Bürgermeister: „Einen zweiten Hirten für unser Vieh können wir nicht entbehren, wohl aber einen Kaplan. Das Geld können wir sparen.“ Da bestieg Luther enttäuscht wieder seinen Reisewagen. Beim Abschied drückte er dem Pfarrer die Hand und sprach: „Nicht müde werden, dort unter der Brücke sitzt der Teufel!“

 

Der Burghügel bei Teuchern

 

Zwischen Deuben und Teuchern lag der Burghügel. Lange Zeit gehörte er zum Rittergut Teuchern. Dessen Besitzer wollte diesen Hügel abtragen lassen, um Feld zu gewinnen. An dem Tage, an dem man dort zu graben begann, starb auf der nahe dem Hügel gelegenen Weide ein Stück Vieh, das nicht krank gewesen war. Am zweiten Tage der Erdarbeiten verendete wieder eins. So ging das jeden Tag, an dem man an dem Burghügel grub. Der Hirt meinte, die Zwerge und Schwarzelfen, die nach altem Glauben in dem Hügel wohnten, brächten das Vieh um; sie rächten sich an dem Gutsherrn, der ihnen die Wohnung zerstören lasse. Als der Gutsherr das hörte, lachte er nur darüber und ließ weitergraben. Wieder starb ein bis dahin ganz gesundes Rind. »Das kommt von einer Viehseuche, die wir noch nicht kennen«, meinte der Rittergutsbesitzer, »es wird auch Vieh sterben, wenn ich das Graben für einige Zeit einstellen lasse.« Doch an den Tagen, an denen die Arbeit am Burghügel ruhte, starb kein Vieh. »Das ist nur ein Zufall«, sagte der Rittergutsbesitzer, »morgen soll die Arbeit weitergehen.« Was geschah? Das Viehsterben ging weiter. Da wurde es dem Rittergutsbesitzer unheimlich, und er ließ nicht weitergraben. Später wurde der Burghügel aber doch abgetragen. Wir wissen noch, wo er gestanden hat.

 

Die geraubte Braut

 

In Teuchern stand einst eine Wasserburg. Der Ritter, der dort wohnte, hatte die Braut eines andern Ritters gefangengenommen und wollte sie nur gegen hohes Lösegeld freigeben. Er ließ das Ritterfräulein streng bewachen. Nur zweimal in der Woche durfte sie die Burg verlassen und in der benachbarten Johanniskappelle beten. Auf dem Weg dorthin mussten sie Wächter begleiten. Die setzten sich, während das gefangene Fräulein in der Kapelle war, in die Schankwirtschaft, die dem Kapellenschmied gehörte, und ließen sich's beim Biere wohl sein. Das hatte der Verlobte des Ritterfräuleins erfahren, und er wusste bald, wie er seine gefangene Braut befreien konnte. Als wieder einmal die Wächter in der Schenke des Kapellenschmieds eingekehrt waren und wenig auf die Gefangene achteten, erschien ein Mann in Pilgerkleidung und setzte sich zu ihnen. Er erzählte ihnen vieles von fremden Ländern und lud sie ein, mit ihm zu trinken. Das ließen sich die Wächter nicht zweimal sagen; sie tranken wacker mit dem Pilgersmann, waren in fröhlicher Stimmung und dachten gar nicht mehr an die Gefangene, die sie doch zu bewachen hatten. Plötzlich war der Pilgersmann verschwunden. Nun erinnerten sich die Wächter an ihre Pflicht und eilten zur Kapelle. Doch da war niemand mehr zu sehen. Jener Pilgersmann war der Bräutigam gewesen, der sich verkleidet hatte. Er war auf schnellen Pferden, die er in der Nähe der Kapelle bereitgestellt hatte, mit seiner Braut entflohen.

 

Die Wolfsschlucht bei Teuchern

 

Zwischen Teuchern und Trebnitz liegt eine Hohle. Die heißt seit alter Zeit die Wolfsschlucht. Man sagt, dort sei es nicht geheuer. Man erzählt von unterirdischen Gängen, die von dort nach dem Teucherner Rittergut und nach dem Burghügel gehen sollen. Dem Wanderer erscheint zu Mitternacht ein Jagdhund ohne Kopf, erschreckt ihn, läuft ein Stück mit ihm und verschwindet dann. Einst ging ein Mann zu mitternächtlicher Stunde durch diese Hohle. Da bemerkte er eine große schwarze Katze, die ihn aus feurigen Augen anfunkelte. Neben ihr sah er ein Geldtäschchen. Das hob er auf und fand es mit Goldstückchen angefüllt. Erfreut über den kostbaren Fund, rannte er, so schnell er konnte, nach Teuchern. Als er dort fast atemlos ankam, fragte ihn ein Freund: »Wie siehst du denn aus?« Er war nämlich kohlrabenschwarz im Gesicht. Da erzählte er dem Freunde von seinem unheimlichen Erlebnis. Der riet ihm, das Geld dorthin zu bringen, wo er es aufgehoben habe. Das tat er. Er fand die schwarze Katze noch an derselben Stelle. Als er zurückkam, war sein Gesicht wieder weiß.

 

Der Drache im Kartoffelkeller

 

Ein Mädchen aus Trebnitz bei Teuchern war nach Ostern als Kleinmagd bei einem Bauern im Rippachtal in Dienst getreten. Man war mit ihr freundlich, und es gefiel ihr gut bei dem Bauern. Jeden Tag musste sie einen Korb voll Kartoffeln zum Schweinefutter aus dem Keller holen. Im Mai ging der Kartoffelvorrat zur Neige. Am Tage nach Himmelfahrt hatte Hanne, - so hieß das Mädchen, - die letzten Kartoffeln heraufgeholt und hatte das der Bauersfrau gesagt. Die aber brummte nur: »Das ist nicht so schlimm.« Hanne wurde am folgenden Tage wieder in den Keller geschickt. Wie staunte sie, als sie in der Kellerecke einen Haufen Kartoffeln erblickte! Als dieser aufgebraucht war, lagen wieder welche da. So geschah das noch einige Tage. Das war dem Mädchen unheimlich. Eines Tages sah es die Bäuerin mit einem Milchnapf nach dem Kartoffelkeller gehen. Neugierig lauschte Hanne an der offenen Kellertür. Da hörte sie die Bauersfrau sagen: »Komm, Hänschen, friss und gäke Kartoffeln!« Hanne lief entsetzt davon. Auf dem Dorfanger erzählte sie es ihren Freundinnen. Die waren gar nicht verwundert; denn sie hatten schon gewusst, dass Hannes Bäuerin den Drachen hatte. Hanne sagte am nächsten Tage den Dienst auf und suchte sich eine andere Stelle.

 

Mitternächtlicher Spuk auf dem Trebnitzer Kirchturm

 

In der Geisterstunde spukte früher auf dem Trebnitzer Kirchturm eine Katze. Mit der einen Pfote streckte sie ein Fünfmarkstück heraus. Sie ging einige Mal um den Kirchturm herum und verschwand sodann. Aber blitzschnell zeigte sie sich von neuem, wiederholte das Herumgehen und sprang schließlich mit lautem »Miau, Miau«, in den Turm. Es wird auch erzählt, dass diese gespenstische Katze einen Totenkopf in ihren Pfoten gehalten habe.

 

Der Schimmelborn

 

Im Dreißigjährigen Kriege, besonders nach der Schlacht bei Lützen, hatte unsere Heimat schwer unter Kriegsnöten zu leiden. Den Dorfbewohnern vor allem wurden Vieh und Feldfrüchte geraubt, Haus, Stall und Scheune niedergebrannt, und auch ihr Leben war niemals sicher. Manchmal zeigte sich aber wochenlang kein Soldat. Dann konnten die Bauern ihrer Arbeit nachgehen. Damals hütete einmal eine Bauerntochter aus Zembschen auf einem Brachfelde die Schafe ihres Vaters. Als sie die Tiere am Abend heimtrieb, hörte sie hinter sich Hufschlag. Als sie sich umsah, erschrak sie; denn sie erblickte einen Wallensteinschen Reiter, der schnell näherkam. Um sich vor dem Kriegsmann zu retten, ließ sie ihre Schafe im Stich und eilte dem Gebüsch am Rande der sehr sumpfigen Rippachwiesen zu. Der Reiter spornte seinen Schimmel zu schnellster Gangart an, dem Mädchen zu folgen. Er sprengte den Abhang hinunter, geriet in eine Quelle im Sumpf und versank im Nu. Das Mädchen war gerettet. Die Dorfbewohner nannten diese Quelle seit jenem Ereignis den Schimmelborn. Wenn man früher deren Wasser aufrührte, so quoll schlammig weiße Erde herauf. Darin sollten sich die weißen Haare des Schimmels befunden haben.

 

Der dreibeinige Hase bei Werschen

 

Vor dem dreibeinigen Hasen fürchteten sich die Leute in Werschen; denn sie sagten, wer ihn sehe, könne sich nicht von der Stelle rühren, er sei festgebannt. Nur einer fürchtete sich nicht. Das war ein Jäger. Er prahlte In der Schenke: "Wenn mir der dreibeinige Hase einmal vor die Flinte hoppelt, dann schieße ich ihn nieder. Dann werden wir ja sehen, was an eurer Spukgeschichte wahr ist.« Es dauerte gar nicht lange, da sah der Jäger den gefürchteten Hasen auf einem Krautacker. Er riss schnell die Flinte hoch, zielte und schoss. Aber, o weh! Was geschah? Der Jäger stürzte laut aufschreiend zu Boden. Der Hase jedoch hoppelte ruhig davon, denn der Schuss hatte nicht den Hasen, sondern den Jäger schwer verletzt. So wurde dieser Hase durch eine geheime Macht vor Schaden bewahrt.

 

 

 

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